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Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger gehörte seit 2014 einer Chat-Gruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen der Vorinstanz „langjährig befreundet“, zwei miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise u.a. über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Der Chat-Verlauf enthielt u.a. folgende Äußerungen:

Erst den Polakken umnieten der ist der Schlimmste“, „alle aufknüpfen den Polen zuerst“, „zionistische Herrscherlobby“, „und die Neeger kommen“, „ja, die Moslems sind den gemeinen Juden recht ähnlich was Geschäfte angeht, allerdings 7 Klassen tiefer, Ziegen, Kiosk und Firmen“, „polnische Verräterfotze mit ihrer Scheißmail“, „Einer muss von den in die Fresse kriegen als Vorwarnung Oder wir dackeln das Bott der Verräter ab“.

Nachdem die Beklagte hiervon zufällig Kenntnis erhielt, hörte sie den Kläger mit Schreiben vom 22.07.2021 und den Betriebsrat mit Schreiben vom 27.07.2021, der noch an diesem Tag der fristlosen Kündigung zustimmte. Mit Schreiben vom 28.07.2021 kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos und hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 31.03.2022.

Beide Vorinstanzen hatten noch der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben.

Doch die Revision des Arbeitgebers hob diese Entscheidungen auf. Das BAG meint, das LAG habe rechtsfehlerhaft eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Klägers betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen und das Vorliegen eines Kündigungsgrundes verneint. Eine Vertraulichkeitserwartung sei nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum sei abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.

Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses wird dem Kläger Gelegenheit für die ihm obliegende Darlegung geben, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2023 – 2 AZR 17/23 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 19. Dezember 2022 – 15 Sa 284/22 –

Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2023

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